Die städtische Wohnhausanlage, die zu den vorrangigen Sanierungsvorhaben von Wiener Wohnen zählte, wurde aufgrund ihrer idealen topographischen Ausrichtung für ein innovatives Forschungsprojekt ausgewählt. Die Veränderung und der ökologische Anspruch wurde nach außen durch das multiaktive Fassadensystem (Multiaktiv-Fassade, kurz MaFa) an der Südfassade des an der Hütteldorfer Straße liegenden Bestandsgebäude sichtbar gemacht. Die Solarfassade beinhaltet neben der modernen Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und den Passivhausfenstern auch die Photovoltaik für die Erzeugung von Solarstrom, wobei der Überschussstrom in das Gesamtstromnetz eingespeist wird. Mit der thermischen Sanierung wird der Heizwärmebedarf um rund 90% reduziert und gleichzeitig der Wohnkomfort der Bewohner:innen erhöht. Verglaste Loggien an der Hauptverkehrsstraße reduzieren den Lärm, während die Lüftungsanlage für frische Luft in den Innenräumen sorgt.
STÄDTEBAULICHER ASPEKT
Das Grundstück liegt im 14. Wiener Gemeidebezirk an der Ecke Hütteldorfer Straße und Ernst-Bergmann-Gasse. Die vom Architekten Stefan Karabiberoff im Jahr 1969 errichtete Wohnhausanlage ist in der Anordnung und Gliederung der Baukörper sowie deren Architektur typisch für den sachlich-nüchternen Wohnhausbau der späten 1960er-Jahre. Auf dem Grundstück stehen zwei Gebäude mit je 3 Stiegen. Die Hauptfassaden mit Loggien und Balkonen ist nach Südwest orientiert. Die Zugänge zu den Stiegen erfolgen von der Nordseite. Die Fassaden sind durch Fenster gerastert, wobei sich die Fenstergröße nach der Funktion der dahinter liegenden Räume richtet. Zwischen den Gebäuden befindet sich eine Gartenfläche mit Baumbestand. Der südliche Bauteil liegt direkt an der Hütteldorfer Straße mit hohem Verkehrsaufgebot durch Autos und Straßenbahnen und beinhaltet neben Wohnungen zwei Geschäftslokale. Der Baukörper ist südseitig durchgehend viergeschoßig und zur Nordseite aufgrund der Hanglage dreigeschoßig. Das ermöglicht die Nutzung des südlichen Kellergeschoßes als Wohn- und Geschäftsflächen, im nördlichen Teil des Kellers der zu zwei Drittel eingegraben ist sind die Einlagerungsräume und eine Waschküche untergebracht.
Der nördliche Bauteil, bestehend aus drei zueinander versetzten Gebäuden, liegt im viel ruhigeren Gartenbereich und hat drei- bzw. zwei Wohngeschoße.
INNOVATIVES FASSADENSYSTEM
70 % des europäischen Energieverbrauchs werden in Städten konsumiert. Davon lassen sich etwa 40 % auf den Gebäudebestand zurückführen. Im Rahmen der europaweiten Forschungsinitiative EU GUGLE wurden kosteneffiziente und nachhaltige Sanierungslösungen für Wohnhäuser und ganze Grätzel unter unterschiedlichen klimatischen, ökonomischen und soziokulturellen Bedingungen erforscht. In der Hütteldorfer Straße 252 wurden all diese Aspekte vereint. Bei der ersten Passivhaus-Sanierung einer Wohnhausanlage der Stadt Wien wurde an der Südseite des Straßentraktes in gut sichtbarer Lage die Multiaktiv-Fassade (MaFa) zur Energiegewinnung anhand von Photovoltaik(PV)-Elementen ausgeführt. Der Überschussstrom wird in das Gesamtstromnetz eingespeist. Das Fassadensystem wurde mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) und dem gesamten Team bestehend aus Bauherrn, Architekt:innen, PV-Exper:innen und ausführenden Firmen mit Fokus auf nachhaltige Lösungen entwickelt. Die MaFa ist eine Solarfassade aus einer teilvorgefertigten, hinterlüfteten Glasfront mit einer Kartonwabe, Wärmedämmung auf der Rückseite und wird von einer Holzkonstruktion getragen. Direkt in die Konstruktion integriert sind die Photovoltaik (PV) und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Reduzierung des Heizenergiebedarfs auf Passivhaus-Niveau wird durch die Wärmedämmung und die Kartonwabe erreicht, welche durch das innovative Konzept passive solare Gewinne nutzen kann.
INTEGRATION DER SOLARTECHNIK IN DIE GEBÄUDEHÜLLE
Bei den Fassaden entschieden sich die Planer:innen für die neu entwickelte, modular vorgefertigte Lösung der GAP Solutions GmbH. Die maßgefertigten semitransparenten Photovoltaik-Zellen sind zwischen zwei ESG-H-Glasscheiben eingebettet, welche wiederum in das GAP-Element integriert sind. Die Energieerträge aus der BIPV (Building Integrated Photovoltaik) dienen der energetischen Versorgung der dezentralen kontrollierten Komfortlüftungen, die in der Multiaktiv-Fassade integriert sind. Über Lithium-Ionen-Speicher wird PV-Energie gespeichert und während der Nachtstunden an die Geräte der Komfortlüftung abgegeben, welche von außen – also wohnungsunabhängig – angespeist werden. Durch ein intelligentes Energiemanagementsystems wird eine ausgeglichene Ganzjahresbilanz mit 100% Versorgung erreicht.
ARCHITEKTONISCHE QUALITÄT & MATERIALITÄT
Die Zusammenhänge von Architektur und Materialität kommen bei diesem Projekt besonders zu tragen. Die Materialität bezieht sich sowohl auf die technische als auch die ästhetische Ausbildung von Details. Die Ästhetik des Gebäudes wurde durch die neue moderne Fassadenkomposition aufgewertet. Die PV-Module sind in zwei Reihen zwischen den Fenstern angeordnet und fließend in das GAP-System eingebunden. Durch die farbliche Abgrenzung der Module entsteht ein interessantes Gesamtbild der Fassade bzw. des Gebäudes. Die PV ist als Stromversorger vom Straßenraum klar ablesbar und kommuniziert das Thema „Energieeffizienz“ gekonnt den Vorbeifahrenden und Passant:innen. Die Erker wurden mit roten Kartonwaben (und Anschlusselementen) akzentuiert, ebenso der Geschäftsbereich in der Erdgeschoßzone. Die restlichen Waben wurden in einem dezenten Sandton gefärbt. Je nach Sonnenstand, Betrachtungswinkel und Entfernung von der Fassade variiert die Farbe aufgrund der Wabenstruktur. Beim frontalen Blick wirkt ein höherer Schwarzanteil während sich beim seitlichen Betrachten die Färbung der Kartonwabe stärker auswirkt.