Für die Prüfung der Nachhaltigkeit von Gebäuden werden auf freiwilliger Basis Nachhaltigkeits-Gütesiegel angeboten. In Österreich werden diese Gütesiegel unter anderem von der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) und der ÖGNB (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) angeboten. Die Gütesiegel gehen vom Stand der Technik aus und vergeben Pluspunkte für Lösungen, die diese Mindeststandards übertreffen.
Aber wozu brauchen Gebäude überhaupt ein Zertifikat?
Mit einem Zertifikat wird gutachterlich bestätigt, was das Haus alles kann. Es gibt viele Zertifkate, die vor allem die ökologische Qualität von Gebäuden bestätigen. Klimaschutz ist wichtig, aber nicht das einzige Kriterium, nach dem eine Immobilie bewertet werden sollte. Mit dem DGNB-Zertifikat der ÖGNI gibt es ein Qualitätszertifikat, das alle drei Säulen der Nachhaltigkeit abdeckt. DGNB-zertifizierte Gebäude erhalten die Menschen, die in ihnen leben, körperlich und geistig gesund, sind ökologisch wertvoll, zukunftssicher und werthaltig. Mehr als 60 unterschiedliche Kriterien des Bauwerks werden überprüft und bewertet und geben so dem Mieter oder Investor Sicherheit über den oft nicht sichtbaren Zustand.
Vorbereitungen zum Pre-Assessment
Das Projekt Wohnhausanlage Kaisermühlenstraße, geplant von Treberspurg & Partner, wurde auf Initiative von Martin Treberspurg die BOKU mit einem „Pre-Assessment“, einem Vorzertifikat in der Vorplanungsphase, begleitet. Eine solche Vorzertifizierung besteht darin, einen Kriterienkatalog (ÖGNI/DGNB) durchzuarbeiten und die darin enthaltenen Vorgaben bestmöglich einzuhalten sowie in die Planung zu integrieren. Durch die Integration in die Planungsphase wird die Umsetzung dieser Vorgaben wesentlich erleichtert, da während der Bauphase Änderungen nur noch schwer möglich sind. Die Begleitung des Projektes durch die BOKU sollte sichtbar machen, welche Vorteile ein frühes Einbringen von Nachhaltigkeitsaspekten in die Planung bringt.
Die Aufgabenstellung
Die Gebäude wurden auf Wunsch des Auftraggebers, der BWS-Gruppe, als Passivhaus ausgeführt. Grund dafür waren vor allem die intensiven Schallimmissionen durch den nahegelegenen Verschiebebahnhof, den Autobahnknoten und die Schnell- und U-Bahnhaltestelle Stadlau in Hochlage.
Hochwertige Gebäudehülle
Das Passivhaus zeichnet sich neben der hohen Energieeffizienz im Betrieb des Gebäudes samt der Reduktion des CO2-Ausstoßes vor allem durch einen sehr guten Schallschutz durch die hochwertige Gebäudehülle sowie die Belüftung über eine Lüftungsanlage aus. Die Energieeinsparung wird durch eine optimale Nutzung der Sonnenenergie, eine gut gedämmte Außenhülle und eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung (mind. 85%) aus der Abluft erzielt.
Qualität des Wohnkomforts
Für eine Wärmerückgewinnung aus der Abluft ist eine kontrollierte Lüftung der Räume notwendig, was jedoch keine Beeinträchtigung des Wohnkomforts bedeutet. Die Wohnqualität bleibt erhalten, da die Raumtemperatur individuell durch Lüftung und Radiatoren gesteuert werden kann. Dadurch kann der Bewohner seine eigene Wohlfühltemperatur individuell einstellen.
Photovoltaik zur Energieversorgung
Ein weiterer Nachhaltigkeitsaspekt besteht im Anschluss an das örtliche Fernwärmenetz und die Nutzung der Dachflächen für Photovoltaik. Der Strom der Photovoltaikanlage wird von den Bewohnern genutzt. Der überschüssige Strom wird in das öffentliche Netz einspeist. Durch dieses Energiesystem kann wiederum der CO2-Ausstoß verringert werden und gleichzeitig werden Betriebskosten gesenkt.
SILBER für die Kaisermühlestraße
Die ökologischen, ökonomischen und sozio-funktionalen Nachhaltigkeitsmerkmale wurden in diesem Projekt bereits in der frühen Planungsphase berücksichtigt und in der Ausführung so umgesetzt, dass die Wohnhausanlage Kaisermühlenstraße mit der Bewertung „Silber“ (zweithöchste Bewertung) ausgezeichnet wurde. Da es sich bei diesem Projekt um einen sozialen Wohnbau handelt, wäre die höchste Bewertung („GOLD“) zwar möglich gewesen, hätte jedoch zusätzliche Ausgaben notwendig gemacht, die nicht mit sozial verträglichen Miet- und Betriebskosten in Einklang zu bringen waren.
Erfolgreiche Forschungstätigkeit
Die Begleitung des Projektes durch Erstellung eines Vorzertifikates und der frühen Einbringung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Planung war ein voller Erfolg. Durch die frühe Definition der Nachhaltigkeitsziele konnten diese leicht und kostengünstig umgesetzt werden.
Durch weitere Forschung kann dabei geholfen werden, Zertifizierungssysteme zu optimieren und dadurch attraktiver für Bauherren und auch für Mieter zu machen. Durch ihre bestmögliche Umsetzung können richtungsweisende Projekte für zukünftige Generationen geschaffen werden.