Am Areal des ehemaligen Nordbahnhofs im zweiten Wiener Gemeindebezirk wurde das Projekt „young corner“ Passivhaus Wohnanlage von Treberspurg & Partner Architekten im Zuge eines Bauträgerwettbewerbs im April 2011 fertiggestellt realisiert. Die Wohnhausanlage ist auf spezielle Anforderungen junger BewohnerInnen zugeschnitten und ermöglicht kostengünstiges Wohnen auf qualitativ hohem Niveau. Die Qualität des Planungsprozesses war durch das Wettbewerbsverfahren und durch das integrale Team vom frühesten Stadium an sehr hoch.
Städtebauliches Konzept
Das städtebauliche Konzept geht vom Prinzip der Durchlässigkeit und offenen Beziehungen zum öffentlichen Raum und zur Nachbarschaft aus. Dies gilt insbesondere für die offene Wegeführung und den großzügig dimensionierten und gut einsehbaren Platz an der westlichen Grundstücksgrenze. Besonderes Augenmerk wurde auf die Übersichtlichkeit und Einsehbarkeit der öffentlichen Flächen und Hauseingänge gelegt, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken. Der langgestreckte, nach Südwesten orientierte Baukörper wird im Norden durch ein kompaktes Punkthaus ergänzt, das durch ein nach beiden Seiten offenes und mit Tageslicht durchflutetes Stiegenhaus mit Foyer an das Langhaus angebunden ist.
Architektur und soziale Nachhaligkeit
Die Wohnhausanlage umfasst 6.965 m² Nutzfläche, aufgeteilt auf 61 Wohnungen, fünf Wohnheime, 19 Kleinbüros und einen Kindergarten mit vier Gruppen. Die Wohnhausanlage ist nach den Grundsätzen des solaren Bauens geplant und unterstützt damit sehr effektiv die Erreichung des Passivhaus-Standards. Der kompakte und solar orientierte Baukörper weist eine klare thermische Trennung von beheizten und unbeheizten Bereichen auf. Die Wohnräume sind nach Süd-Westen orientiert und verfügen über thermisch getrennte Freiräume und über außenliegende Beschattungselemente aus Holz und Metall. Die Schlaf- und Arbeitsräume sind weitestgehend gegen Osten gerichtet und steigern die Energieeffizienz durch ein verlustminimierendes Konzept mit kompakten Öffnungen und größeren Wandanteilen.
Das Erdgeschoß enthält keine Wohnungen, sondern Gemeinschafts- und Einlagerungsräume. Aufgrund der Zielsetzung „Junges Wohnen“ wurden anpassbare Grundrisse für junge Menschen, Familien und ältere MitbewohnerInnen unter Berücksichtigung von Pflegebedürfnissen realisiert. Zudem bietet die Wohnhausanlage das Zuschalten von Arbeitsräumen, um die Kombination von Wohnen und Arbeiten, insbesondere für Familien und Jungunternehmen, attraktiv zu gestalten. Im Punkthaus ist im ersten und zweiten Geschoß ein viergruppiger Kindergarten integriert. Darüber befinden sich fünf Heimeinheiten mit je zehn Zimmern mit Gemeinschaftsräumen. Am Dach sind eine allgemein zugängliche Dachterrasse mit herrlichem Weitblick sowie privat nutzbare Kleingärten zu finden.
„Junges Wohnen“ und Finanzierbarkeit
Eine weitere günstige Wohnmöglichkeit für StudentInnen oder Mutter-Kind-Gemeinschaften bieten die Wohngemeinschaften. Der Aspekt „Junges Wohnen“ wurde insbesondere auch bei der Finanzierbarkeit von Wohnraum berücksichtigt. Durch das KALLCO-Baurechtsmodell und die Wiener Wohnbauförderung kostet eine 60 m²-Wohnung nur rund 3.450,- € an Eigenmitteln und 300,- € an Nettomiete (2011).
Ökologisches Konzept: Bauweise und Auswahl der Materialien
Das Gebäude wurde in Massivbauweise mit Stahlbeton und Ziegel-Leichtbeton-Mauerwerk errichtet. Besondere Zielsetzungen bei der Bauausführung waren die Vermeidung von potentiellen Schadstoffen und ein hohes Maß an Qualitätssicherung. Durch ein Chemikalienmanagement wurden erfolgreich H-FKW, Lösungsmittel und PVC-Produkte vermieden. Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung umfassten Blower-Door-Messung, Thermografie, Schallschutzmessung und Raumluftqualitätsmessung.
Auch die Auswahl des Dämmstoffes hat bereits wesentliche Auswirkungen auf frühe Planungsphasen. Es wurde festgelegt, dass die Wohnhausanlage in Passivhausstandard mit einem Hochleistungs-Dämmstoff aus Resol-Hartschaum ausgeführt wird (gleichwertige Bezeichnungen: Phenol-Schaum oder Phenolharz-Schaum). Damit ist die Wohnhausanlage zu diesem Zeitpunkt das weltweit größte Gebäude mit Resol-Hartschaum. Durch die Einsparung an Dämmstärke wurde zusätzliche Nutzfläche erzielt. Dieser Gewinn an Fläche ist jedoch bereits in einer frühen Planungsphase zu berücksichtigen, damit dies in den Entwurf eines geeignet proportionierten Grundrisses einfließen kann. Die Außenwand wurde mit 18 cm Resol-Hartschaumplatten gedämmt und erreicht einen U-Wert von 0,117 W/m²K.
Ökonomisches Konzept: Haustechnik-System für hohen Wohnkomfort
Das Haustechnik-System ist auf die Variabilität des Innenausbaus abgestimmt und verfolgt die Zielsetzungen eines hohen Wohnkomforts, einer simplen Steuerung durch die BewohnerInnen und einer hohen Raumluftqualität. Das Schacht- und Grundriss-System ermöglicht eine semizentrale kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Luftverteilung erfolgt in Hauptsteigleitungen und abgehängten Decken im Stiegenhaus und in den Vorräumen der Wohnungen. Die zusätzliche Raumheizung und die Warmwasserbereitung werden durch Fernwärme versorgt. Die Wärmeabgabe für die Raumheizung erfolgt durch eine konventionelle Heizungsanlage mit kleinflächigen Radiatoren und kann somit von den NutzerInnen raumweise gesteuert werden.
Besonderheiten des Resol-Hartschaums
Die Besonderheiten des Wärmedämmverbundsystems (WDVS) aus Resol-Hartschaum für die Bauausführung der Wohnhausanlage wurden genau untersucht und hinsichtlich ihres Aufwandes gegenübergestellt. Auch die Wirtschaftlichkeit des Resol-WDVS wurde betrachtet. Dabei wurden die Mehrkosten für die Fassadenherstellung dem Gewinn von Nutzfläche gegenübergestellt. Das Ergebnis zeigt, dass die Mehrkosten eines Resol-WDVS bei etwa 43 €/m2 Netto-Fassade (exkl. Fenster) liegen im Vergleich zu einem WDVS aus gewöhnlichem EPS mit gleichem U-Wert. Die Ursachen der Mehrkosten des Resol-WDVS sind hauptsächlich die höheren Materialkosten (etwa 2/3 der Mehrkosten), aber auch die höheren Verarbeitungskosten. Zusätzlich sind noch Mehrkosten für Decken- und Wandkonstruktionen für die zusätzliche Nutzfläche in den Vergleich miteinzubeziehen. Dem gegenüber sind die Mehreinnahmen zu stellen. Denn durch die schlankere Dämmung wird zusätzliche Nutzfläche gewonnen, wodurch Mehreinnahmen aus Wohnbauförderung, Baukostenbeitrag und Miete erzielt werden.
Kostenreduktion durch Resol-WDVS
Nicht in der Grafik dargestellt ist die Kostenreduktion von Resol-WDVS durch die Einsparung von Brandschutzriegeln (ca. 7 €/m² Fassade im Vergleich zu EPS) – aufgrund der guten Brandbeständigkeit von Resol-Hartschaum – und durch die Reduktion der Laibungsflächen (ca. 2 €/m² Fassade). Die gesamten Mehrkosten abzüglich Einsparungen Brandschutzriegeln und Laibungsflächen werden bereits durch die Mehreinnahmen der Wohnbauförderung und durch den Baukostenbeitrag abgedeckt. Die Mehreinnahmen innerhalb von 25 Jahren liegen bei 145 €/m2 Netto-Fassadenfläche. Im Rahmen der üblichen Lebensdauer von WDVS von etwa 40 Jahren betragen die Mehreinnahmen mehr als das Dreifache des Mehraufwandes für die Errichtung ca. 100€/m². Die Wirtschaftlichkeitsanalyse des Resol-WDVS, aber auch die praktischen Erfahrungen während der Bauausführung zeigen eindrucksvoll, dass bereits jetzt die Anwendung dieses Systems wirtschaftlich ist und in Zukunft, bei stärkerer Nachfrage und dadurch sinkendem Materialpreis, noch deutlich günstiger ausfallen wird.