Die Aufgabenstellung lautete: „Zukunftssichere Instandsetzung und Erweiterung des Schulgebäudes für die nächsten 30 Jahre“. Um den wachsenden Raumbedarf für Schülerinnen und Schüler zu decken, wurde der neue Kreativturm für moderne Unterrichtsräume für Technisches und Textiles Werken sowie Bildnerische Erziehung geschaffen. Der Neubau bietet auf 650 m2 einen inspirierenden Ort für Kreativität und Kommunikation und versteht sich als „gebaute Pädagogik“. Städtebaulich nimmt der Kreativturm als Solitär einen Ankerpunkt entlang der frequentierten Fischamender Straße ein. Das Planerteam hat sich entschieden den Neubau dreigeschoßig auszuführen, damit mehr Freiraumfläche für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung steht.
Die Positionierung des Kreativturmes am nordöstlichen Grundstücksrand spielt das bestehende Schulgebäude frei und definiert gleichzeitig den Vorplatz der Schule neu. Der Baukörper selbst nimmt städtebauliche Achsen auf und ermöglicht durch seine Form auch weiterhin größtmögliche Ausblicke aus dem bestehenden Schulgebäude in alle Richtungen sowie vielfältige Blickbeziehungen auf das Ensemble. Durch die Anbindung an den bestehenden Eingang werden zwei gleichwertige Zugänge zu dem Schulgebäude geschaffen. Die Aufteilung der Funktionen auf 3 Geschoße und die Auskragung der 2 Obergeschoße ermöglichen die Gestaltung eines großzügigen, neutralen Vorplatzes. Er wird auf das Nullniveau des bestehenden Schulgebäudes angehoben und ermöglicht so eine komfortable und barrierefreie Erschließung des Gebäudes. Die neue Platzgestaltung wird an der nördlichen Seite durch eine als „Filter“ ausgebaute Zone begrenzt und schafft so einen beruhigten Schulvorplatz. Die in der Verlängerung des Zubaus positionierte Zone nimmt Funktionen wie Fahrradabstellplätze und Ausstellungszonen auf und schafft Distanz zur Straße. Dahinter entwickelt sich ein Raum mit hoher Aufenthaltsqualität der zum Verweilen einlädt. Er ist mit Sitz- und Kommunikationsflächen ausgestattet und lässt vielfältige Begegnungen von Schülern und Lehrern zu. Darüber hinaus dient er als Verteiler für die beiden gleichwertigen Schuleingänge.
Das in Niedrigstenergiebauweise und in Stahlbeton konstruierte Gebäude sorgt mit einer dezentralen, CO2-gesteuerten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für angenehmen Komfort in den Klassenräumen. Neben den „tanzenden Säulen“, die die auskragende Fläche des Kreativturms tragen, überzeugt der Turm mit einer weißen mit Faserbetonplatten eingedeckten Fassade. Diese reduzierte Optik setzt sich klar in Kontrast zu der in Gelb- und Grüntönen gestalteten Fassade des Bestandsgebäudes. Die großzügigen Verglasungen sorgen für interessante Sichtbeziehungen, während kleine, quadratische Öffnungen als sogenannte Setzkästen dienen. So wird es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, ihre kreativen Arbeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren und das Erscheinungsbild ihres Schulgebäudes mitzugestalten. Diese Wirkung nach außen soll als identitätsstiftendes Merkmal für die Schülerinnen und Schülern dienen. Durch das Bespielen des Stadtraums mit den kreativen Arbeiten wird Aufmerksamkeit erzeugt und eine Kommunikation mit dem Stadtraum ermöglicht – der Außenbereich wird zum Ausstellungsraum. Die Freiraumfläche wurde offen gestaltet und dient als Treffpunkt für Kommunikation. Mittels Zonierung anhand von Sitzgelegenheiten und Fahrradabstellflächen entsteht eine klare und funktionale Atmosphäre im Außenbereich. Die Bepflanzung dient als Puffer zum Stadtraum und zur dicht befahrenen Straße.
Farben- und Materialkonzept
Ausgangspunkt für das Farbkonzept sind die für die Fassadengestaltung des Bestandsgebäudes gewählten Farbtöne in warmen Gelb- und Grüntönen des Architektenteams Franz&Sue, die die thermische Sanierung des Bestandsgebäudes sowie die Adaptierung der Turnsäle durchführten. Der bunten Fassade wurde in den Innenräumen eine zurückhaltende Palette von Farbtönen an Wänden, Boden und Decke gegenübergestellt. Ziel ist es, eine ruhige angenehme Lernumgebung zu schaffen und die Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt zu rücken. Die Akzentfarbtöne wurden bei der Wahl der Loungemöbel, Tische und Stühle aufgegriffen und die Nischen in den Gangbereichen wurden entsprechend farblich akzentuiert. Das Farbkonzept der Außenfassade findet sich auch an den Fliesen in den Sanitäranlagen wieder. Passend zum Farbkonzept erfolgt die Materialauswahl für Boden und Decke. Im Stiegenhaus der Erweiterung nimmt das flexible Lamellensystem mit der fächerförmigen Struktur die Geometrie des Gebäudes auf. Sie verdeckt die dahinterliegende Haustechnik und ermöglicht zugleich eine leichte Zugänglichkeit und Revisionen für Installationen. Die dezente Farbenwahl der Lamellen im Haupttrakt steht gezielt in Kontrast zur bunten Fassade. Im Gegensatz dazu findet sich im Gangbereich des Kreativturms eine farbige Lamellendecke in den Farbtönen der Fassade des Bestandsgebäudes wieder. Je näher sich die beiden Gebäude kommen, desto mehr vermischen sich die bunten und dezenten Töne, um einen sanften Übergang zu gestalten und dem Ensemble eine gemeinsame Identität zu geben. Für die Nutzerinnen und Nutzer dient dieses Farbkonzept zugleich als Leitsystem für den gesamten Innenbereich. In den Klassenräumen und Lehrerzimmern wurden Holzwolle-Akustikplatten eingesetzt. Deren robuste Oberfläche ist akustisch wirksam und zugleich ästhetisch anspruchsvoll. Die bündig eingebauten Leuchten mit satiniertem Diffusor sorgen für eine homogene Lichtverteilung. Der außenliegende Sonnenschutz vermeidet sommerliche Überhitzung und lenkt mittels einer speziellen Beschichtung der Lamellen diffuses Licht bis tief in die Räume.
Raumgestaltung und Möblierung
Im Hauptgebäude wurden die Trakte des Schulzentrums neu konfiguriert. Eine besondere Herausforderung war die präzise Ausführung der neu entstandenen Multifunktionswände zwischen der Pausenhalle (Gang) und den Unterrichtsräumen. Die massiven Bestandswände zwischen den Gangbereichen und Klassenzimmern wurden abgetragen und als Trockenbauwände neu ausgeführt. Sie umfassen sowohl die Sitznischen mit Sichtfenstern zu den Klassenräumen als auch die Nischen für die Einbaukästen, Elektroverteiler und Serverschränke. Ebenfalls konnten die schallschutzabsorbierenden, patentierten Überströmöffnungen für die automatisierte Nachtlüftung in diese Wand integriert werden. Durch das Versetzen dieser tragenden Wände wurden zugleich mehrere Funktionen erfüllt: Einerseits um architektonisch auf die zeitgemäßen Anforderungen eines offenen, pädagogischen Konzepts zu reagieren, andererseits wurde mit dieser Lösung das Haustechnikkonzept wesentlich vereinfacht. Die neu entstandenen Multifunktionswände umfassen sowohl die Nischen für Sichtfenster und Einbauschränke als auch den Einbau der Elektroleitungen für EDV- und Computersysteme. Zugleich wird die kontrollierte Ab- und Zufuhr von Frischluft in den Klassenräumen und Gängen mittels eines patentierten Systems einer Überströmöffnung an der Wand sichergestellt. Die Glasflächen zwischen Gangbereich und Klassenräumen schaffen Sichtbeziehungen und bringen Tageslicht von den lichtdurchfluteten Klassenzimmern in die Gänge. Die Schule wird nach dem offenen Ganztagsmodell geführt, wo vormittags Unterricht und nachmittags Lern- und Freizeit stattfindet. In den Gangbereichen sind die Begegnungszonen als Orte der Kommunikation mit vielen Sitz- und Kommunikationsflächen ausgestattet. Die Zonierung der Gänge sorgt für einen Rhythmus der offenen Lern- und Aufenthaltsbereiche. Besonderes Augenmerk wurde auf die multifunktionale Raumgestaltung gelegt, die vielfältige Lernsituationen unterstützt. Hier wurden flexible Tische und Hocker eingesetzt, die schnell und einfach umgestellt werden können, um individuelles Lernen zu erleichtern. Durch die speziellen Formen der Tische und Loungemöbel ist eine Vielzahl an Gruppierungen möglich.