Bereits im Jahr 1884 wurde im Hochschwabgebiet eine Schutzhütte errichtet, die nach dem Präsidenten des „Österreichischer Touristenklub“ (ÖTK) Leopold Schiestl benannt wurde. Mit zwei Erweiterungen noch vor dem ersten Weltkrieg bestand dieses Bauwerk bereits weit über 100 Jahre, bis im Jahr 2000 ein Neubau geplant wurde.
Die vorherrschenden Wetterbedingen können jedenfalls als „extrem“ bezeichnet werden. So sind auf dem Standort in über 2.150m Seehöhe beispielsweise Windspitzen über 200 km/h bei der Stabilität des Gebäudes zu berücksichtigen und wechselnde Auslastungen der Hütte, die teilweise kaum vorhersehbar sind, bedingen aus Sicht des Passivhausbaus eine Abkehr von herkömmlichen Hüttenkonzepten.
Die Tatsache, dass in der Nähe weder Frischwasser noch Vorfluter zum Einleiten von Brauchwasser verfügbar sind, erweiterte die Komplexität der Planung um eine zusätzliche Facette. Als Grundlage der Planung wurde mit Fördermitteln ein nationales Forschungsprojekt co-finanziert und ermöglichte so einerseits die Beantwortung zahlreicher offener Fragen und sicherte andererseits durch die Übernahme von 25% der Baukosten auch das finanzielle Risiko ab, das für den ÖTK alleine nicht zu tragen gewesen wäre. In drei Arbeitsphasen wurde zunächst in einem Alpinworkshop unter Einbindung von Personen mit Expertise im Bereich alpinen Bauens, Hüttenbetriebs und der Ökologie, die Planungsgrundlageerarbeitet.
Der zweite Schritt diente dem Konzept und Vorentwurf, in dem alle für nachfolgende Simulationen erforderlichen Datenerhoben wurden. Hier erfolgte auch schon die Verbindung von funktionellen Anforderungen an den Hüttenbetrieb mit den architektonischen und haustechnischen Konzepten der Passivhaustechnologie. Erschwerend kam der Umstand hinzu, dass auch Fragen des Transports mit dem Hubschrauber bereits bei der Planung zu berücksichtigen waren.
In der dritten Phase des Forschungsprojekts kam es schließlich zur Konkretisierung der Planung und zur Optimierung durch Simulationen. Diese führte zu unterschiedlichen Varianten und zu Anforderungen, die einen niedrigen Heizwärmebedarf belegten, aber auch auf Probleme mit sommerlicher Überhitzung bei Volllastbetrieb hinwiesen. Der hohe solare Eintrag von Energie bei Schönwetter korrespondiert mit den steigenden Gästezahlen. Umgekehrt ist bei geringerem solaren Eintrag aufgrund von Schlechtwetter auch mit wenig Gästen auf der Hütte zu rechnen. Die maßgebliche externe Energiequelle des Gebäudes ist die Sonne, die über eine thermische Solaranlage Warmwasser das Warmwasser liefert und über die PV-Panele rund 70% des Strombedarfs bereitstellt.
Daraus resultiert ein Konzept einer thermischen Zonierung, das ausgehend von einer beheizten Kernzone zusätzliche „Zwiebelschalen“ in Form von weiteren Zonen dazuschaltet. Die eingesetzten Passivhaustechnologien ermöglichen mit kontrollierter Be- und Entlüftung, die mit Wärmerückgewinnungssystemen ausgestattet ist, einen autarken Betrieb bei Vollbelegung. Als Backup dient ein kleines Blockheizkraftwerk, welches mit Rapsöl betrieben wird.
Neben der energetischen Versorgung sind die Bereitstellung von Wasser und die Notwendigkeit, Abwässer hinreichend auf Badewasserqualität zu reinigen, eine weitere Herausforderung. Weder eine Quelle noch eine Versorgung über eine Leitung ermöglichen den Zugang zu Frischwasser. Daher wurde im Kellergeschoß eine auf den Volllastbetrieb dimensionierte Zisterne für Regenwasser mit entsprechenden Filteranlagen vorgesehen. Das so aufbereitete Wasser erreicht Trinkwasserqualität. Die Abwasserreinigungsanlage erreicht einen Reinigungsgrad von 99%. Die Anlage ist trotz des hohen Reinigungsgrades energiesparend und trägt so zur Effizienz des Gesamtobjekts bei.
Der Aspekt der Wasseraufbereitung ist der Stadt Wien ein besonderes Anliegen, da sich das Objekt unmittelbar über der Kläfferquelle, eine der Hauptquellen der 2. Wiener Hochquellenwasserleitung, befindet. Der Bau der Schutzhütte stellte einen außergewöhnlich hohen Anspruch an die Logistik. Die Insellage bedingte eine energieautarke Einrichtung sowie eine aufwändige Ver- und Entsorgung der Baustelle. Im Jahr 2005 konnte schließlich der Neubau in Betrieb gehen und die Planungen wurden mitzahlreichen Messungen und Untersuchungen validiert.
Die im intensiven Planungsprozess entstandenen Lösungen konnten diametral gegenüberstehende Anforderungen an die Passivhausqualität und eine Bauweise mit hohem Grad an Vorfertigung vereinen und erwiesen sich als durchaus praxistauglich. Die starke mediale Anteilnahme am Projekt bei der Errichtung und in der ersten Betriebszeit, erzeugten eine starke Beachtung sowohl bei den Bergsteigern als Nutzer, wie auch bei den Experten des Passivhaussektors. Sehr gute Nächtigungszahlen und laufende Überbuchung geben Zeugnis von hoher Nutzerakzeptanz und Zufriedenheit bei den Gästen.
Die Erkenntnisse des interdisziplinären Planungsteams des Schiestlhauses, das in jeglicher Hinsicht unter extrem schwierigen Bedingungen entstanden ist, dienen als Grundlage für weitere Planungen in ähnlicher Lage. Das Grundkonzept ist für unterschiedliche Bauaufgaben geeignet und kann durchaus auch im Passivhaussektor bei Normallagen zur Anwendung kommen.