Im Forschungsprojekt EU-GUGLE „European cities serving as Green Urban Gate towards Leadership in sustainable Energy” wird seit 2013 an der Erstellung von replizierbaren Strategien und konkreten Lösungen gearbeitet, damit Sanierungsmöglichkeiten für großvolumige Wohngebäudeim gesamten europäischen Raum zurVerfügung stehen.
Städtebeteiligung
In diesem sechsjährigen Projekt,das noch bis 2019 läuft, kooperieren folgendesechs Partnerstädte in sechs europäischen Ländern: Aachen (Deutschland), Bratislava (Slowakei), Mailand (Italien), Sestao (Spanien), Tampere (Finnland) und Wien (Österreich). In diesen Städten beteiligen sich Stadtverwaltung, öffentliche und private Wohnbaugesellschaften, Mieterbeiräte, Forschungszentren, Universitäten, Energieversorgungsunternehmen und Energieberatungsunternehmen am Projekt. Neben den sechs Partnerstädten sind auch noch drei weitere sogenannte „assoziierte Städte“ (Göteborg (Schweden), Plovdiv (Bulgarien) und Gaziantep (Türkei) am Forschungsprojekt beteiligt. Diese versuchen, das gewonnene Wissen in die Planung von smarten Bauprojekten bzw. die Sanierung von Stadtquartieren aufzunehmen und sich aktiv am Projekt im Rahmen von Besprechungen und Replikationsworkshops zu beteiligen. Durch die Kooperation der sechs Städte ist es möglich, dass aktuell ca. 200.000 m2 Fläche in Wohnbauten und öffentlichen Gebäuden auf Niedrigstenergiestandard saniert werden. Dadurch und durch die Integration von erneuerbaren Energieträgern ist es weiters möglich, die Projektziele, den Primärenergieverbrauch der Gebäude um 40% bis 80% zu senken und den Anteil der erneuerbaren Energie um 25% zu steigern, zu erreichen.
Erprobung innovativer technischer Lösungen
Das Forschungsprojekt bietet auch die Möglichkeit, neben thermischen Sanierungen der Gebäudehülle auch verschiedenste innovative technische Lösungen anzuwenden und zu erproben. Zum Beispiel konnte in Aachen durch die Installation von Wärmetauschern im öffentlichen Abwasserkanalsystem in Kombination mit Wärmepumpen ein Nahwärmenetz realisiert werden, mit dem das Warmwasser für die Pilotgebäude der Stadt produziert wird. Im Pilotprojekt in Bratislava sind Wärmepumpen samt Sonnenkollektoren, die das Warmwasser erzeugen und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für alle Wohnungen installiert worden. So kann das Gebäude vom ineffizienten Fernwärmenetz abgekoppelt werden, wodurch sich die Energieeinsparungsziele erreichen lassen. In Tampere konnte bei mehreren Projekten ein System integriert werden, welches die Wärme der Abluft für die Raumheizung und die Warmwasseraufbereitung nutzt. Umgesetzt wurden die Wärmepumpe und der Wärmetauscher jeweils auf dem Dach, wodurch die Beeinträchtigung für die Bewohner minimiert werden konnte.
Und das passiert in Wien
In Wien gibt es eine Reihe von abgeschlossenen und laufenden Projekten mit öffentlichen und privaten Wohnbaugesellschaften. Unter anderem wird ein Pflegeheim nach der Sanierung den Passivhausstandard erreichen. Außerdem wird im Rahmen des Projekts auch die erste Sanierung auf Passivhausstandard im sozialen Wohnbau der Stadt Wien durchgeführt. Dieses erfolgt in Kooperation mit einem weiteren Forschungsprojekt. Dabei wird eine vorgefertigte Glasfassade mit integrierter transparenter Photovoltaik eingesetzt. Die Fassade besteht aus einer Kartonwabe auf der Rückseite und einer hinterlüfteten Außenschicht aus Glas und wird von einer Holzkonstruktion getragen. Die Kartonwabe erhöht im Winter die solaren Erträge, da die Sonnenstrahlen tief in den Aufbau eindringen können und sie reduziert im Sommer den Wärmeeintrag, da die Sonnenstrahlen durch den steileren Sonnenwinkel weniger tief in die Konstruktion eindringen können. Durch die intelligente Konstruktion kann der Solarertrag des Gebäudes optimal genutzt werden. Die Photovoltaik-Module nutzen zudem die Sonnenenergie aktiv und stellen die Energie zur Verfügung, die zum Betrieb der ebenfalls in die Fassade integrierten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung notwendig ist.
Analyse und Monitoring ist das A und O
Ein wichtiger Bestandteil des EU-GUGLE Projektes ist die Analyse und die Beurteilung der umgesetzten Maßnahmen, damit für künftige Projekte gelernt werden kann. Monitoring Daten bieten Stakeholdern die Möglichkeit, für andere Sanierungen die Ergebnisse besser vorherzusagen, da reale Verbrauchsdaten und das Gebäudeverhalten essentiell für genaue Vorhersagen sind. Das Monitoring der Gebäude beginnt bereits vor der Sanierung und wird nach der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen noch mindestens einen Winter lang fortgesetzt. Zudem wird bei den Wohnhausanlagen vor und nach der Sanierung auch eine Analyse mittels Thermographie durchgeführt. Der Vergleich macht die Unterschiede in der Qualität der Gebäudehülle deutlich.
Die Abbildung zeigt jeweils auf der linken Seite des Bildes ein im Rahmen des EU-GUGLE Projektes saniertes Gebäude und auf der rechten Seite jeweils ein Infrarotbild mit einem unsanierten Gebäude aus der gleichen Bauperiode. Merkbar sind die großen Unterschiede (ca. 3–5 °C) der Oberflächentemperatur der Außenwand und die große Anzahl der Wärmebrücken im unsanierten Zustand. Im sanierten Gebäude sind die Wärmebrücken auf ein Minimum reduziert.
Stakeholder-Einbindung von Anfang an
Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen auch, dass Bauträger oft erst über die Vorteile einer energieeffizienten Sanierung informiert bzw. davon überzeugt werden müssen, da die Bauträger über den Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet profitieren und die Betriebskosten sinken. Für die Bewohner verbessert sich spürbar die Lebensqualität, da es keine kalten Fußböden und Wände mehr gibt. Für einen reibungslosen und effizienten Planungsprozess ist es wichtig, sämtliche Stakeholder möglichst früh einzubinden. Zu diesen gehören unter anderem die Hausbewohner, die bei der Planung eine entscheidende Rolle einnehmen und daher von Beginn an aktiv beteiligt werden sollten. Weiters muss auf die verschiedenen sozialen Gruppen, wie ältere Menschen, Immigranten und Hausbewohner mit geringerem Einkommen, eingegangen werden. Kooperative Planungsprozesse stärken die Identifizierung der Bewohner mit der Sanierung und sie steigern das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Musterwohnungen bieten die Möglichkeit, die Bewohner bereits vorab mit der neu verbauten Gebäudetechnik vertraut zu machen und verstärken so die Energieeinsparungsmaßnahmen, da der richtige Umgang mit den Systemen oft entscheidend ist.