Solange es Freiraum in und um unsere Städte gibt, können diese wachsen und erweitert werden. Diese Tatsache hat eine große und vor allem langfristige Auswirkung auf die Entwicklung von Städten und auf unsere Umwelt. Städtebauliche Planungsprozesse legen urbane Strukturen für Jahrhunderte fest. Sie können die Möglichkeit bieten, Siedlungsstrukturen nach energetischen Gesichtspunkten zu optimieren und so einen Beitrag zur Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs leisten. In ihnen steckt besonders großes Potential – sowohl für eine positive, als auch negative Entwicklung – da in solch frühen Planungsphasen eine Vielzahl von Parametern leicht verändert werden können.
Stadtplanungsgebiete in Österreich
Ehemalige Industriegebiete, Bahnhofsareale oder Flugfelder sind zwar Teil der Stadt und sollen sich bestmöglich in diese einfügen, jedoch sind sie in sich noch frei gestaltbar und bieten somit den Stadtplanern einen vergleichsweise großen Spielraum. Zur Veranschaulichung, um welche Größenordnungen es sich bei Stadtplanungsgebieten handelt, einige aktuelle österreichische Beispiele:
– Seestadt Aspern, Wien: 240 Hektar
bis 2028 – 10.500 Wohnungen, 20.000 Bewohner, 20.000 Arbeitsplätze
– Oberes Hausfeld, Wien: 26 Hektar
ca. 3.700 Wohnungen, 8.000 Bewohner
– Reininghausgründe, Graz: 52 Hektar
15.000 Bewohner
– Solarcity Linz Pichling: 36 Hektar
1.300 Wohnungen, 3.000 Bewohner
– Nordbahnhof: 85 Hektar
bis 2015 – 10.000 Wohnungen, 20.000 Bewohner, 20.000 Arbeitsplätze
– Nordwestbahnhof, Wien: 44 Hektar
in Planung, 4.900 Wohnungen, 12.000 Bewohner, 5.000 Arbeitsplätze
– Sonnwendviertel – Hauptbahnhof, Wien: 3,9 Hektar
bis 2019 – 5.000 Wohnungen, 13.000 Bewohner
Fehlende Softwarelösung für Städtebau…
In städtebaulichen Wettbewerben und Planungsvorhaben steckt ein enormes energetisches Optimierungspotential. Gleichzeitig fehlen aber Planungswerkzeuge, die für einen solarorientierten Städtebau eingesetzt werden können (siehe Ergebnisse von IEA SHC Task 41). Die meisten der vorhandenen Softwarelösungen fokussieren auf das einzelne Gebäude, wobei die Verschattung der Umgebung und die gegenseitige Verschattung unberücksichtigt bleiben.
…CityCalc schließt diese Lücke
Zwischen 2008 und 2010 wurde ein Vorgängerprojekt von CityCalc entwickelt – das IEAA Tool (Integration energierelevanter Aspekte in Architekturwettbewerben, siehe dazu www.ifz.at). Es betrachtet jene energierelevanten Aspekte während der Nutzungsphase, die auch im österreichischen Energieausweis vorkommen. Der Fokus liegt auf der Orientierung, der Verschattung, der Form des Baukörpers, dem Volumen sowie dem Fensterflächenanteil. Diese Designkennwerte sind bereits in der Wettbewerbsphase bekannt und spielen in der Folge in der architektonischen Gestaltung bis zur Umsetzung eine wichtige Rolle. Das entwickelte Tool wurde mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Office Excel erstellt und war kostenlos nutzbar. Mit der Einführung von Microsoft Office 2010 konnte das Tool nicht mehr vollständig angewendet werden. Weil jedoch weiterhin eine große Nachfrage nach dem Tool aus dem In- und Ausland bestand und aus der zuvor skizzierten Notwendigkeit, energierelevante Aspekte in frühen Planungsphasen im Entwurf zu integrieren, entstand die Idee zum Forschungsprojekt CityCalc. Auch die derzeit übliche Art der Bewertung von Energieeffizienzkriterien in Architekturwettbewerben ist häufig weder für Wettbewerbsauslober, noch für Teilnehmende und Preisrichter eine zufriedenstellende Lösung. Das CityCalc-Tool wurde als leicht anwendbares Planungs- und Bewertungstool konzipiert, um die Energieeffizienz für städtebauliche Planungsverfahren zu beurteilen.
Insbesondere wurde 2010 in der Wettbewerbsordnung für Architekten folgender Absatz eingefügt:
„Quantifizierende Systeme dürfen für die Entscheidungen des Preisgerichts bei der Auswahl der Wettbewerbsarbeiten nicht eingesetzt werden. Um die Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten zu erleichtern, können aber digital gestützte Nachweisverfahren zu konkreten, quantifizierbaren Teilaspekten des Beurteilungsspektrums, insbesondere zur Energieeffizienz und zu Lebenszykluskosten, verwendet werden.“ Wettbewerbsstandard Architektur – WSA 2010 §18
Und so funktioniert das Planungstool
Das Tool unterstützt die Entwicklung von Low-Tech-Lösungen für Smart Cities durch die optimierte Nutzung erneuerbarer Energien vor Ort, insbesondere passiver und aktiver Solarerträge. Hierfür sind die Wechselwirkungen von Kompaktheit, Orientierung und gegenseitige Verschattung der Gebäude entsprechend zu berücksichtigen und zu optimieren. Durch diese Möglichkeiten kann eine Energieeinsparung ohne bauliche Mehrkosten erzielt werden. Andernfalls ist hoher baulicher und gebäudetechnischer Mehraufwand erforderlich, um eine gleichwertige Energieeffizienz zu erreichen.
Für Architekten und Vorprüfer von Wettbewerben
Ziel des Forschungsprojekts war es daher, ein einfaches Energieplanungs- und Bewertungsinstrument für die Stadtentwicklungsplanung (zum Beispiel kooperative Verfahren), städtebauliche Wettbewerbe und urbane Nachverdichtungen zu entwickeln. Das Tool kann einerseits von Architekten zur Optimierung im Entwurfsprozess und für die Suche nach neuen Gestaltungsansätzen verwendet und andererseits von den Vorprüfern und Wettbewerbsauslobern für die energetische Bewertung der Teilnehmerbeiträge genutzt werden.
Im Zuge des Projekts CityCalc konnten Stakeholder-Workshops durchgeführt und Planungsverfahren begleitet werden. Für die Wettbewerbsakteure besteht gegenwärtig folgende Ausgangslage:
- Auslober wissen um den richtungsweisenden Charakter von Entscheidungen in frühen Projektphasen und fordern daher zunehmend höhere Detaillierungsgrade bei der Ausarbeitung.
- Wettbewerbsteilnehmern werden zusätzliche Leistungen ohne entsprechende Abgeltung der erhöhten Aufwände abverlangt.
- Vorprüfer müssen in sehr kurzen Zeiträumen immer vielfältigere Fragestellungen abprüfen und nachvollziehbare und nicht wertende Beurteilungsergebnisse liefern.
- Jury-Mitglieder müssen die Ergebnisse der Vorprüfung bewerten. Eine Vielzahl komplexer Kriterien fließt in ihre Entscheidungen ein, für die häufig keine ausreichenden Beurteilungsgrundlagen vorhanden sind. Oftmals finden sich in den Auslobungsunterlagen ambitionierte Vorgaben zur Energieeffizienz, welchen schlussendlich in der Entscheidungsfindung jedoch nur geringe Bedeutung zugemessen wird.
Das Kriterium Energie für Städteplanung
Die Begleitung der Wettbewerbe im Rahmen des Projekts CityCalc hat gezeigt, dass das Kriterium „Energie“ in folgende Punkte zusammengefasst werden kann:
- Weniger ist mehr. Der zusätzliche Aufwand für Wettbewerbsteilnehmer ist so gering wie möglich zu halten.
- Ist „nichts“ vielleicht alles? (nach einem Zitat von Architekt Rem Koolhaas) Entwurfsimmanente Parameter der urbanen Morphologie müssen den Kern der Beurteilung darstellen. Dämmstärken, Sonnenschutz oder Haustechnikkonzepte sind in derart frühen Planungsphasen noch nicht festgelegt, sodass deren Bewertung wenig zielführend ist.
- Quantitativ vor qualitativ. Eine Bewertung der Teilnehmerbeiträge basierend auf einem etablierten physikalischen Berechnungsmodell ist zwingend erforderlich, um stichhaltige Aussagen treffen zu können. Rein qualitative Bewertungen im Stadium der Vorprüfung sind zu vermeiden und nur der Jury vorbehalten.
- Probieren geht über Studieren: Wettbewerbsteilnehmern ist die Möglichkeit zu geben, ihre Entwürfe hinsichtlich der Energieeffizienz schon im Entwurfsprozess mit dem in der Vorprüfung eingesetzten Bewertungsinstrument zu optimieren.
- Expertenmeinung zählt. Die Ergebnisse der energetischen Vorprüfung sollten der Wettbewerbsjury durch Experten vermittelt werden.
- Energie ist nicht alles: Die Energieeffizienz eines Wettbewerbsprojekts ist lediglich eines von vielen Kriterien, die seine gesamte Qualität bestimmen. Es gilt, energetisch ungünstige Entwürfe zu identifizieren und auf deren Probleme hinzuweisen.
Zwei Pakete: BASIS und DETAIL
Für die Wettbewerbsbegleitung wurden zwei Pakete mit unterschiedlichem Umfang definiert:
– Paket BASIS enthält elementare Kenngrößen für Energieeffizienz: Energiebedarf und Solarpotenzial.
– Paket DETAIL enthält zusätzliche Aspekte von Smart Cities: Tageslichtnutzung, Nutzerkomfort, Überwärmungsneigung und Freiraumverschattung.
Übersichtliche Ergebnisdarstellung
Die Experten der Vorprüfung können aufbauend auf dem komplexen Gebäude- und Umgebungsmodell fundierte und jederzeit nachvollziehbare Aussagen über die Energieeffizienz der einzelnen Wettbewerbsbeiträge liefern. Die übersichtliche Ergebnisdarstellung ermöglicht es der Jury, die Bewertung in der Preisgerichtssitzung einfließen zu lassen. Die Experten können auf Wunsch detaillierte Auskünfte geben und sich dabei auf ihre Simulationsergebnisse stützen.
Smarte Zusatzmodule
Falls es der Auslober wünscht, kann das 3D-Gebäudemodell für weitere Untersuchungen, wie zum Beispiel Schallimmissionsuntersuchungen oder Windsimulationen, verwendet werden, da es sich um einen offenen Datenstandard handelt, der unkompliziert in anderen Softwareumgebungen weitergenutzt werden kann. Den Teilnehmern entsteht kein zusätzlicher Aufwand bei der Wettbewerbsbearbeitung. Sie haben jedoch die Möglichkeit, CityCalc als Planungsinstrument in der Wettbewerbsausarbeitung einzusetzen und damit eine Optimierung des eigenen Projekts in Bezug auf seine Energieeffizienz zu erzielen.